Phlebotomen in Südwestdeutschland: Ein Update und neue Fundorte

Sandmücken kommen mit mehr als 1000 Arten nahezu weltweit vor. In Europa sind Sandmücken im Mittelmeerraum mit 25 bekannten Arten verbreitet. Aufgrund des Klimawandels und steigender Temperaturen ist jedoch zu erwarten, dass Arten der Gattung Phlebotomus ihr Verbreitungsgebiet erweitern und dauerhaft neue Lebensräume gewinnen. Innerhalb Deutschlands wurden bislang lediglich 2 Arten von Phlebotomus nachgewiesen: Phlebotomus perniciosus (P. perniciosus) und Phlebotomus mascittii (P. mascittii). Weibliche Sandmücken benötigen für ihre Ernährung verschiedene Wirbeltierwirte, darunter Menschen, Nutztiere, Hunde, Nagetiere, Reptilien, Amphibien und Vögel. Während die Hauptwirte von P. mascittii Hunde und Menschen darstellen, bevorzugt P. perniciosus Hunde, Menschen, Pferde und Nagetiere. Darüber hinaus ist bekannt, dass P. mascittii auch ein autogenes Ernährungsverhalten aufweist und ohne Blutmahlzeit mittels Aufnahme von Pflanzen- und Fruchtsäften zur Eireifung gelangen kann.

Die Art P. perniciosus stellt einen Vektor für Phleboviren und parasitäre Protozoen wie Leishmania infantum dar, allerdings wurde diese Art seit 2001 nicht mehr in Deutschland dokumentiert. Obwohl der Erreger Leishmania infantum bereits in P. mascittii nachgewiesen werden konnte, ist deren Vektorkompetenz bezüglich einer Übertragung auf einen Wirt bislang nicht eindeutig geklärt. Während P. mascittii seit 1999 bereits an 17 Standorten entdeckt wurde, konnte P. perniciosus im Jahr 2001 ledig einmalig mit 4 Exemplaren lokalisiert werden. Eine kürzlich erschienene Studie, an der auch unser Verein Parasitus Ex e.V. beteiligt war, zeigt nun die aktuelle Verbreitung und Häufigkeit dieser beiden Arten im südwestlichen Raum Deutschlands.

Im Zeitraum von 2015-2018 wurde hierfür eine entomologische Feldstudie durchgeführt, im Rahmen derer Sandmücken in den südwestdeutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mittels Miniaturlichtfallen gefangen wurden. Im Jahr 2015 wurden für das Aufstellen der Fallen sechs Sammelstellen mit bereits bekannten und etablierten Sandmückenpopulationen ausgewählt. In den folgenden Jahren wurden zusätzlich auch neue Standorte mit potenziell günstigen Umwelt- und Klimabedingungen (mindestens drei aufeinanderfolgende Nächte mit einer Mindesttemperatur von 15° C) auf Sandmückenpopulationen untersucht. Um neue Standorte zu finden, wurden die Bürger mit einem Informationsblatt über die Studie informiert. Darüber hinaus wurden lokale Gesundheitsbehörden und Kommunen informiert und Anzeigen in lokalen Zeitungen geschaltet. Abhängig von der Größe der Sammelstelle wurden 1 bis 5 Lichtfallen in einem Abstand von etwa 5 m voneinander aufgestellt und zwischen 18:00 Uhr und 8:00 Uhr betrieben. Die Fallen wurden überwiegend in bodennahen oder wandnahen Scheunen mit oder ohne organischem Material in einer Höhe von 1,0-1,5 m aufgestellt. Gefangene Insekten wurden sofort in einer gekühlten Styroporkiste aufbewahrt und manuell auf einem weißen Blatt Papier untersucht, um Beifänge zu vermeiden. Danach wurden die Sandmücken in 100% Alkohol gelegt, um sie anschließend der molekularen Identifizierung und dem Screening auf enthaltene Pathogene zuzuführen.

In den Jahren 2015-2018 wurden insgesamt 149 (92 weibliche und 57 männliche) Sandmücken der Art P. mascittii an 37 (21%) der 176 Sammelstellen gefangen. Phlebotomen der Art P. perniciosus wurden im Rahmen dieser Studie nicht entdeckt. Der früheste Fang während des gesamten Untersuchungszeitraums erfolgte am 3. Juli 2018 und der späteste am 31. August 2017. Sandmücken wurden innerhalb der Untersuchung an allen Lokalisationen gefunden, die bereits aus früheren Studien als positiv bekannt waren. Dies beweist die Stabilität der bereits vorhandenen Sandmückenpopulationen. Phlebotomen wurden zudem an 15 neuen Stellen nachgewiesen, die bisher nicht für das Vorhandensein von Sandmücken bekannt waren. Obwohl sich die Umgebung in 30 Jahren erheblich verändert hat, wurde kein signifikanter Unterschied in der Dynamik und Verteilung der Sandmücken festgestellt. Bei der molekularen Untersuchung der gefangenen Tiere wurden keine Phleboviren oder Flaviviren nachgewiesen, zudem wurden alle Sandmücken negativ auf den Erreger Leishmania infantum getestet.

Zusammenfassend betrachtet zeigt diese Studie, dass Sandmücken in diversen Gebieten Süddeutschlands vorkommen, in denen sie bislang nicht erfasst wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass Phlebotomen im südwestdeutschen Raum weiter verbreitet sind als bislang angenommen. Die globale Erwärmung könnte zu einer weiteren Ausbreitung von Sandmücken und den hiermit assoziierten Infektionen beitragen. Innerhalb weiterer Studien sollte daher in erster Linie die Vektorkompetenz von P. mascittii geklärt werden, um das Risisko für derartige Infektionen zukünftig realistischer einschätzen zu können. Als Parameter für eine mögliche Vektorkompetenz gelten das anthropophile (den Menschen bevorzugend aufsuchende) Verhalten der Phlebotomenart und die Nutzung eines Wirtes für die eigene Ernährung. Dagegen spricht jedoch das autogene Fütterungsverhalten von P. mascittii, welches der Mücke ermöglicht, fertile Eier ohne Blutmahlzeit ausschließlich über zuckerhaltige Pflanzensäfte zu erzeugen. Die damit einhergehende potentielle Wirtsunabhängigkeit in der Ernährung macht diese Phlebotomenart vermutlich zu einem eher unattraktiven Überträger für den Erreger der Leishmaniose.

Momentan kann sicherlich die Gefahr einer autochthonen Infektion mit Leishmania infantum innerhalb Deutschlands für Mensch und Tier als extrem niedrig eingestuft werden, auch wenn derzeit mehr als 100.000 Leishmaniose-positive Hunde in Deutschland leben.

Quelle: Parasites Vectors. 2020 Apr 21;13:173-180.