Borrelien und Babesien in polnischen Zecken, die aus menschlicher Haut entfernt wurden:

Borrelien und Babesien in polnischen Zecken, die aus menschlicher Haut entfernt wurden: Langzeitstudie zur Prävalenz und zum Auftreten von Co-Infektionen

Mit jährlich 85.000 gemeldeten Fällen in Europa ist die Lyme-Borreliose die häufigste vektorübertragene Erkrankung beim Menschen. Die geschätzte Inzidenz der Borreliose in Polen stieg in den vergangenen Jahren dramatisch von 20,3 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2007 auf 53,6 Fälle pro 100.000 Einwohner im Jahr 2019. Dies entspricht auf die Gesamteinwohnerzahl Polens gerechnet einem durchschnittlichen Anstieg von 7.735 Fällen im Jahr 2007 auf 20.614 Fälle im Jahr 2019. Mindestens fünf Borrelienarten gelten als humanpathogen: Borrelia (B.) burgdorferiB. gariniiB. afzeliiB. spielmanii sowie B. bavariensis. Es wird vermutet, dass jede dieser Spezies mit unterschiedlichen klinischen Manifestationen assoziiert ist. So verursacht eine Infektion mit B. burgdorferi oft Gelenksentzündungen, während Infektionen mit B. garinii eher zu neurologischen Symptomen führen.

Die Erkrankung Babesiose tritt beim Menschen mit 60 bestätigten Fällen in Europa nur sehr selten auf, der Erreger Babesia divergens scheint hier die größte Rolle zu spielen. Die klinischen Symptome sind mit Fieber, grippeähnlichen Symptomen, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Schweißausbrüchen meist eher unspezifisch, was die Diagnose erschwert und damit das Einleiten einer adäquaten Behandlung oft verzögert. Hin und wieder kommen auch Infektionen mit Babesia microti vor, welche bei immunkompetenten Personen meist asymptomatisch verlaufen. Trotzdem kann der Erreger eine Rolle spielen, da die Erkrankung nach einer Blutspende bei immunsupprimierten Personen schwer verlaufen kann. Die transfusionsbedingte Babesiose wird beim Menschen jedenfalls zunehmend beschrieben, vor allem aus den USA sind schwere Verläufe bekannt.

Zecken der Art Ixodes ricinus (Holzbock) machen in Europa 90-100% der aus menschlicher Haut entfernten Zecken aus. Auch die Art Dermacentor reticulatus (Auwaldzecke) kommt hin und wieder vor, wenn auch sehr viel seltener. Beide Zeckenarten sind kompetente Vektoren für eine Vielzahl von Erregern. Einige dieser Zecken beherbergen sogar Co-Infektionen, also Infektionen mit mehreren Erregern, welche nach Übertragung auf den Menschen besonders schwer zu diagnostizieren sind. Eine Co-Infektion mit mehreren Erregern kann die Schwere der einzelnen Erkrankungen erheblich verstärken und Konsequenzen für die Therapie haben. Zur Prävalenz bestimmter Krankheitserreger in Zecken, die bereits am Menschen gesaugt haben, existieren nur wenige Untersuchungen.

Eine aktuelle Langzeitstudie aus Polen erforschte die Prävalenz, das Vorhandensein von Co-Infektionen und die Verbreitung von Borrelien- und Babesienarten in Zecken, die bereits menschliches Blut gesaugt hatten. Hierfür wurden im Zeitraum 2016-2019 jeweils in den Monaten März bis November Zecken gesammelt, die entweder vom Arzt oder dem Patienten selbst aus der Haut entfernt worden waren. Die Art und das Entwicklungsstadium der Zecken wurden morphologisch unter Verwendung eines standardisierten taxonomischen Schlüssels bestimmt. Es wurden zudem Screenings auf Borrelien und Babesien durch verschiedene molekularbiologische Verfahren durchgeführt, im Rahmen derer auch die Erregerart identifiziert wurde.

Im Untersuchungszeitraum wurden so insgesamt 1.953 Zecken der Arten Ixodes ricinus (97%) und Dermacentor reticulatus (3%) aus menschlicher Haut entfernt und eingesandt.

Im Fall von Ixodes ricinus waren 2,9% der Zecken im Larvenstadium und 68,7% im Nymphenstadium, 27,7% wurden als adulte Weibchen und 0,7% als adulte Männchen identifiziert. Die Aktivität der Holzböcke zeigte 2 Gipfel: Der erste Peak konnte im Juni beobachtet werden, im Oktober war ein zweiter Gipfel auffällig. Allerdings war die durchschnittliche Anzahl der im Oktober gesammelten Zecken fast viermal geringer als im Juni. Die Prävalenz der Borrelien-Infektion betrug bei dieser Zeckenart im Durchschnitt 25,3%, über den Studienzeitraum konnte allerdings ein Rückgang der Prävalenz von 30,2% im Jahr 2016 auf 23,4% im Jahr 2019 ermittelt werden. Es wurde weiterhin ein signifikanter Effekt des Entwicklungsstadiums der Zecken beobachtet. So wurde Borrelien-DNA in 9,3% der Larven, in 24,7% der Nymphen und in 28,4% der adulten Zecken nachgewiesen. Der in   dieser Zeckenart am häufigsten nachgewiesene Borreliose-Erreger war B. afzelii (65,3%) gefolgt von B. burgdorferi (10,8%), B. garinii (8,8 %), B. valaisiana (5,2%), B. spielmanii (1,2%) und B. lusitaniae (0,4 %). Bei 8,4 % der untersuchten Zecken wurde der für den Menschen gefährliche Erreger B. miyamotoi identifiziert.

Bezüglich einer Babesiose-Infektion wurden 1,3% der eingesendeten Zecken der Art Ixodes ricinus Babesien-positiv getestet. Zwischen den Geschlechtern oder dem Entwicklungsstadium wurden keine signifikanten Unterschiede detektiert. Bei 60% der Babesiose-positiven Zecken wurde als Erreger Babesia microti ermittelt, 33,3% enthielten Babesia venatorum und bei 0,7% der Zecken wurde der für Hunde gefährliche Erreger Babesia canis identifiziert.

Im Fall der Art Dermacentor reticulatus wurden im Untersuchungszeitraum insgesamt 63 Zecken aus menschlicher Haut entfernt, davon 65% adulte Weibchen und 35% adulte Männchen. Die meisten dieser Zecken wurden in den Monaten März bis Mai gefunden, im Juli und August wurden keine Zecken eingesendet. Die Prävalenz der Borrelien-Infektion betrug bei Dermacentor reticulatus über den gesamten Studienzeitraum betrachtet im Mittel 12,7%. Die Häufigkeit einer Infektion entwickelte sich von 20% im Jahr 2016 über 25% im Jahr 2017 auf 7,7% im Jahr 2018 und 14,3% im Jahr 2019. Als einzige Erregerart wurde B. afzelii nachgewiesen. Der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen adulten Zecken war statistisch nicht signifikant, beide Geschlechter waren gleichermaßen infiziert. Im gesamten Studienzeitraum waren zudem 2,8% der Zecken mit dem Erreger Babesia canis identifiziert.

Das Auftreten von Co-Infektionen wurde nur beim Holzbock untersucht. Als häufigste Co-Infektion wurde eine Infektion mit Borrelia afzelii und Babesia microti ermittelt. Bei Borrelien-positiven Zecken wurde eine Co-Infektion mit Babesien (2,7%) häufiger beobachtet als bei nicht mit Borrelien infizierten Zecken (0,8%). Ob die beobachteten Funde auf positive Interaktionen zwischen diesen Erregern zurückzuführen sind, ist schwer zu beurteilen. Die Infektionen könnten im Nymphenstadium durchaus auch gleichzeitig erworben worden sein, da beide Erreger mit demselben tierischen Wirt (Nagetiere) assoziiert sind.

Zusammenfassend bestätigt die Studie die bekannte relativ hohe Prävalenz von Borreliose-Erregern in Zecken, die bereits menschliches Blut gesaugt haben. Obwohl eine Infektion mit B. afzelii die Mehrheit der in der Studie nachgewiesenen Borreliose-Erreger darstellt, sollte das Risiko einer Infektion mit B. miyamotoi beim Menschen nicht unterschätzt werden, da dieser das sogenannte Rückfallfieber verursacht. Auch Zecken der Art Dermacentor reticulatus können Borreliose-Erreger in sich beherbergen. Die Fragestellung, inwiefern diese Zecken die Erreger auf Wirte übertragen können, kann mit dem bisherigen Kenntnisstand jedoch noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

Die in der Studie ermittelte niedrige Babesien-Prävalenz legt nahe, dass das Risiko einer menschlichen Infektion vernachlässigbar ist, was mit der sehr geringen Anzahl von beim Menschen gemeldeten Fällen in Polen im Einklang steht.

Quelle: Parasites Vectors. 2021 July 01;14:348-360.