Leishmania infantum bei Hunden auf Sardinien – Seroprävalenz und Risikofaktoren

Bei der Leishmaniose handelt es sich um eine Erkrankung, die durch den Vektor Sandmücke übertragen und durch Erreger der Gattung Leishmania hervorgerufen wird. Im südeuropäischen Mittelmeerraum ist die Art Leishmania infantum von großer Bedeutung, hier sind mindestens 2,5 Millionen Hunde mit dem Erreger infiziert. Aufgrund seines zoonotischen Charakters stellt dieser Erreger auch eine potentielle Gefahr für den Menschen dar, wobei in der Regel eher immuninkompetente Personen klinisch erkranken. Innerhalb der Endemiegebiete Europas ist die canine Leishmaniose unregelmäßig verteilt und weist eine starke Variabilität an Infektionsraten bis hin zu hyperendemischen Schwerpunkten auf. Die italienische Insel Sardinien gilt schon lange als Endemiegebiet für das Vorkommen der Erkrankung Leishmaniose, hier wurden neben dem gehäuften Auftreten bei Hunden zwischen 1922 und 2014 auch mehr als 250 Erkrankungen beim Menschen gezählt. Auch erschienen kürzlich 2 Fallberichte, die von Erkrankungen bei Katzen auf der Insel berichteten. Sardinien ist die zweitgrößte Insel im Mittelmeer und das Klima der Insel ist geprägt von heißen und trockenen Sommern mit milden und feuchten Wintern. In städtischen und ländlichen Regionen der Insel konnten bislang Sandmücken der Arten Phlebotomus perfiliewi und Phlebotomus perniciosus als Vektoren des Erregers Leishmania infantum nachgewiesen werden.

Im Rahmen einer im November 2020 veröffentlichten epidemiologischen Studie wurden nun erstmals die Seroprävalenz und die Risikofaktoren des Auftretens einer Leishmaniose-Infektion bei Hunden auf Sardinien untersucht. Hierfür wurden im Studienzeitraum 2012-2018 Blutproben und klinische Daten von Hunden gesammelt, die dauerhaft auf der Insel lebten und älter als 6 Monate waren. Die Gesamtpopulation der Insel wird auf 542224 Hunde geschätzt, von denen 1147 Tiere in die Studie aufgenommen wurden. Jeder Studienteilnehmer wurde einer vollständigen klinischen Untersuchung unterzogen, wobei der Schwerpunkt auf dem Vorhandensein klinischer Zeichen einer Leishmaniose-Erkrankung lag. Zusätzlich wurden Daten zu Geschlecht, Alter, Rasse, Körpergröße und Haarlänge sowie Informationen zu Lebensraum, Haltungsbedingungen (Außenhaltung oder Wohnungshaltung) und nächtlicher Zugang zu Schutzhütten analysiert. Die Tierbesitzer wurden zudem hinsichtlich ihrer Maßnahmen zur Sandmückenprophylaxe befragt. Als Resultat der Befragung wurden die an der Studie teilnehmenden Hunde in 2 Gruppen eingeteilt (Familienhund oder Zwingerhund). Mittels IFAT wurde das Serum der Tiere auf IGG-Antikörper gegen Leishmanien untersucht, ein Titer von ≥ 1:80 wurde als seropositiv festgelegt. Tiere, deren Probe nur eine Fluoreszenz bei einer Verdünnung von 1:40 zeigte, wurden als exponiert, aber nicht infiziert definiert. Alle Daten wurden unter Verwendung eines Chi-Quadrat-Tests statistisch analysiert, die Beziehung zwischen einer Infektion und einer der verfügbaren Variablen wurde mittels bivariater und multivariater Regressionsanalyse ermittelt.

Von den 1147 in die Studie eingeschlossenen Hunden waren 812 Tiere in Zwingerhaltung untergebracht, 335 Tiere wurden von ihren Besitzern als Familienhunde gehalten. Die Stichprobe war vom Geschlecht her ausgewogen, 51,3% der Hunde waren weiblichen und 48,7% waren männlichen Geschlechts. 15,4% der untersuchten Hunde waren mit einem IFAT-Titer von ≥ 1:80 seropositiv, während 7,4% der Tiere als exponiert, aber nicht infiziert eingestuft wurden. Die spezifischen Antikörpertiter gegen Leishmania infantum lagen in der Studie im Bereich von 1:40 bis 1: 10240, 11,4% der Tiere hatten einen IFAT-Titer ≥ 1: 160 und 8,6% hatten einen IFAT-Titer ≥ 1: 320. Basierend auf der körperlichen Untersuchung wurden bei 44,1% der seropositiven Tiere mit einem Titer von ≥ 1:80 klinische Anzeichen einer Leishmaniose-Erkrankung gefunden. Allgemeine klinische Symptome wie ein schlechtes Allgemeinbefinden oder eine generalisierte Lymphadenomegalie wurden bei 29,4% der seropositiven Hunde beschrieben. Die in der Studie am häufigsten gefundenen klinischen Symptome waren kutane und mukokutane Läsionen (37,9%), exfoliative Dermatitis (24,3%), ulzerative Dermatitis (13,6%), Krallenveränderungen (18,1%), Hyperkeratose (5,1%) und Augenschäden (5,1%). Bei der Detektion von Leishmanien-Antikörpern wurden wie auch in Studien zuvor Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. Antikörper wurden bei männlichen Tieren mit 18,1% signifikant häufiger gefunden als bei weiblichen Tieren (12,9%). Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Immunantwort könnten hier eine Rolle spielen. Als weiteres Ergebnis nahm die Anzahl seropositiver Hunde mit dem Lebensalter zu, was sicherlich mit einem erhöhten Risiko einer Exposition gegenüber dem Vektor Sandmücke zu erklären ist. Auch war die Prävalenz in der Gruppe der reinrassigen Hunde mit 29,6% deutlich höher als in der Gruppe der Mischlinge (12,9%), was mit den Angaben in der Literatur übereinstimmt. So ist bekannt, dass einige Hunderassen wie Boxer, Cocker Spaniel, Rottweiler und Deutscher Schäferhund anfälliger für die Entwicklung einer klinischen Erkrankung sind. Entgegen der Vermutung waren mit 27,2% signifikant mehr Familienhunde Titer-positiv als Zwingerhunde (10,6%). Ein ähnliches Verteilungsmuster wurde bereits in einer Studie aus Bosnien und Herzegowina gefunden, wo Hunde, die einen Besitzer hatten, mit 31,6% häufiger mit Leishmaniose infiziert waren als Straßenhunde (15,3%). Erklärbar scheint dies mit der Tatsache, dass ohne Ausnahme alle Zwingerhunde in der Studie Maßnahmen der Sandmückenprophylaxe durch ihren Halter erfahren hatten, während in der Gruppe der Familienhunde 15,2% der Tiere keinerlei prophylaktische Maßnahmen erhielten. Möglicherweise könnten Familienhunde mit ihrer eher bewegungsarmen Lebensweise auch anfälliger für Infektionen sein und aufgrund ihres beschränkten Lebensradius` von Sandmücken leichter gefunden und gestochen werden. Darüber hinaus ist aus anderen Studien bereits bekannt, dass der Aufenthalt in der Nähe menschlicher Behausungen mit einem höheren Infektionsrisiko bei Hunden verbunden ist.

Die vorliegende Studie ist die erste groß angelegte epidemiologische Untersuchung zum Vorkommen der Leishmaniose bei Hunden auf Sardinien. Sie bestätigt die lange bestehende Vermutung eines endemischen Auftretens der Leishmaniose bei Hunden auf Sardinien mit einer ähnlichen Seroprävalenz, wie sie auch vom italienischen Festland bekannt ist. Mehr als die Hälfte der seropositiven Hunde in der Studie wurden von ihren Besitzern als gesund beschrieben und zeigten keinerlei klinische Auffälligkeiten. Die Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen daher die Hypothese, dass die klinischen Fälle einer Leishmaniose-Erkrankung in den endemischen Gebieten nur einen Bruchteil der Fälle von Leishmaniose-Infektionen ausmachen und dass die Mehrheit der Hundepopulation in solchen Gebieten exponiert und infiziert ist, ohne klinische Anzeichen einer Erkrankung zu zeigen. Die Studie zeigt zudem sehr deutlich, wie wichtig und sinnvoll eine Leishmaniose-Prophylaxe und zusätzlich die Vermeidung einer Exposition gegenüber Sandmücken ist. Neben der Anwendung der gängigen chemoprophylaktischen Maßnahmen sollten Reisen mit Hunden in Risikogebiete zur flugaktiven Zeit der Sandmücken möglichst vermieden werden. Alternativ sollten Hunde in Endemiegebieten nach Eintritt der Dämmerung in Innenräumen untergebracht werden, die im Idealfall noch mit imprägnierten Sandmückennetzen abgedichtet worden sind.

Quelle: Parasitol. Res. 2021;120:289–300.